Critical Race Theory

Ein Podcast von Mathilde Aubertin

„Ich bin kein Unterdrücker“ steht deutlich zu lesen auf einem Schild. Gehalten wird es von einem kleinen weißen Mädchen. Sie ist maximal acht Jahre alt. Mit ihrem Schild protestiert sie gegen die Einführung der Critical Race Theory in die Stundenpläne an amerikanischen Schulen. Schon 2020 hat der ehemalige US-Präsident Donald Trump immer wieder dazu aufgerufen, die Critical Race Theory, kurz CRT, „aus den Schulen, von den Schreibtischen, aus den Staaten und aus allen Bundesbehörden der US-Armee zu verbannen.“ Eine Abkürzung aus drei Buchstaben, die die USA seit Monaten nicht zur Ruhe kommen lässt. Was steckt dahinter? Wurde davon auch in Frankreich gesprochen? Und wenn nicht, warum? Um all diese Fragen zu beantworten, haben wir uns an zwei Referent:innen gewendet, die sich auf die US-amerikanische Gesellschaft spezialisiert haben: Agnès Delahaye und Olivier Richomme. Und so viel sei schon einmal vorweggenommen, was sie zu sagen haben, lässt uns einen ganz anderen Blick auf das Konzept Rassismus werfen…

Podcast: CRT, ces trois lettres qui secouent les États-Unis

CRT, drei Buchstaben lassen die USA zittern                       

Die Critical Race Theory, oder im Deutschen die kritische „Rassen“-Theorie, ist ein interdisziplinärer Theorieansatz. Dabei werden die Geschichte, soziale Normen, Gesetze, oder auch die Arbeit von Institutionen kritisch hinterfragt: Warum bestehen, trotz all der Anti-Rassismusgesetze, die in der Vergangenheit erlassen wurden, bis heute Diskriminierung und Ungleichheiten? Warum werden diese in der Gesellschaft nicht wahrgenommen und wem schadet das?

Zum ersten Mal aufgekommen ist der Begriff in den USA der 1970/80er Jahre –  zu einer Zeit, in der bereits die gleichen Rechte für alle galten. Die Sklaverei war schon mehr als hundert Jahre abgeschafft, Schwarze Personen durften wählen, die Apartheid an Schulen und anderen Institutionen war schon lange Geschichte. Trotzdem schienen sich die Erfolge und Fortschritte, die durch die amerikanische Bürgerrechtsbewegung errungen wurden, ins Gegenteil zu verwandeln und zu stagnieren. Ziel der Verfechter:innen der Critical Race Theory (im Folgenden als CRT bezeichnet) war es daher, ein Bewusstsein für die rassistischen Vorurteile zu schärfen, die dem Rechtssystem in den USA bis heute  zugrunde liegen und den Alltag der Amerikaner:innen und individuelle Verhaltensweisen beeinflussen.

Die CRT geht von sechs Grundannahmen aus: Erstens beschreibt das Wort „Rasse“ keine wissenschaftlich fundierte, biologische Unterscheidung zwischen den Menschen. Es handelt sich um eine soziale Kategorie, die entwickelte wurde, um Schwarze Menschen zu unterdrücken. Zweitens geht die CRT davon aus, dass der Rassismus in den USA fest in den gesellschaftlichen und institutionellen Strukturen verankert ist. Drittens dienen, so die Annahme der CRT, die sozialen und rechtlichen Fortschritte denjenigen, die früher Opfer der Segregationsgesetze in den USA waren, in Wirklichkeit den Interessen der dominierenden Gruppe Weißer Personen. Die soziale Hierarchie wird nicht infrage gestellt, im Gegenteil: durch die Errungenschaften der Schwarzen Personen wird sie nur noch weiter gestärkt. Viertens werden den Angehörigen einer ethnischen Minderheit negative Stereotypen zugeteilt, die der dominanten sozialen Gruppe zugutekommen. Die fünfte Annahme der CRT ist, dass kein Mensch nur mit einer Identität in Verbindung gebracht werden kann. Die Menschen gehören vielmehr mehreren sozialen Gruppen an und werden somit auch durch die verschiedenen Stereotypen gegenüber dieser Gruppen beeinflusst. Man spricht hier auch von der sogenannten Intersektionalität. Die letzte Annahme ist, dass die Erfahrungen, die nicht-weiße Menschen mit Rassismus machen, Einblicke in die Natur des amerikanischen Rechtssystems geben.

Viele Menschen in den USA fühlen sich von der CRT angegriffen. Für sie ist es unvorstellbar, dass eine solche Theorie auch an den Schulen ihrer Kinder gelehrt werden könnte. Sie fürchten, die Geschichte der USA könnte durch die CRT neu geschrieben werden und ihre Kinder verstören. Nur weil sie Weiß sind, seien sie schließlich noch lange keine Rassisten! Und überhaupt würde man eine solche Indoktrination linker, antipatriotischer Gedanken nicht zulassen.

Viel Aufregung – um nichts. Denn noch wird die CRT nicht an amerikanischen Schulen unterrichtet. Und außerdem ist das Ziel der CRT weder amerikanische Schüler:innen zu verstören, noch zu indoktrinieren. Sie sollen lediglich die anderen Perspektiven kennenlernen, die ebenfalls Teil der Geschichte ihres Landes sind und einen kritischen Blick für die rassistisch geprägten Vorurteile entwickeln, die in ihrer Gesellschaft nach wie vor bestehen.

Über die Autorin
Mathilde Aubertin
Mathilde Aubertin

Ich bin Mathilde, 22 Jahre alt und studiere Stadtplanung im Master an der Universität in Lyon. Meine Hobbies sind Reisen, neue Sache lernen, meine Freunde treffen und schwimmen. Ich liebe es Podcasts zu hören wenn ich unterwegs bin aber ich hätte nie gedacht, dass ich einmal selbst einen Podcast machen würde!

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