Populist*innen auf Instagram sind wie Wölfe in Schafspelzen

Wölfe treten in den Wäldern Brandenburgs offen in Erscheinung. Populist*innen machen das in Sozialen Netzwerken nicht. Sie verstecken sich unter dem wolligen Pelz. Doch wie sehen sie aus? Wie verstecken sie ihre populistischen bis rechtsextremen Meinungen? politikorange-Redakteurin Nicole Kauer hat sich auf die Lauer gelegt und einen analytischen Blick auf (populistische) Instagram-Posts geworfen. Ein Kommentar.

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Bilder von grünen Wiesen und streng geflochtenen blonden Zöpfen mischen sich unter Deutschlandflaggen. Was wie ein verstaubter Heimatfilm aus den 50er Jahren der BRD wirkt, ist leider Realität auf Instagram im Jahr 2020. Instagram? Das ist die Social Media Plattform, in der die Welt auf den ersten Blick nur aus Yoga bei Sonnenuntergang auf Bali und Pumpkin-Spice-Latte zu bestehen scheint. Neben dem heile Welt-Feed aus Katzen-Memes und Fitnessworkouts erscheint jedoch auf anderen Accounts eine ganz andere, virtuelle Realität.

Foto von Rottonara / Pixabay.com

Populist*innen präsentieren eine Bilderbuch-Romantik

Instagram-Profile, die harmlos wirken, ihre populistischen Absichten aber geschickt in Hashtags wie #Vaterland, #Heimatliebe oder #MutzurWahrheit packen, gespickt mit Emojis in den Flaggenfarben des Deutschen Reichs. Häufig sind sie ergänzt mit plumpen wie stereotypischen Bier- oder Brezel-Emojis. Gerade so, als habe die Bundesrepublik ein Monopol auf das Hopfengetränk oder als spiegele sich eine vermeintlich deutsche Seele in einem Laugengebäck wider. Dass das blaue Herz nur selten fehlen darf, liegt auf der Hand und lässt sich als eine Wahlempfehlung für die AfD deuten. Ein ebenso beliebtes Motiv ist der deutsche Wald, doch nicht etwa, um auf die Rodung des Dannenröder Forst aufmerksam zu machen, sondern als Sinnbild einer überhöhten Heimatland-Verehrung, von deutschem Grund und Boden. Und so kommen die populistischen Botschaften in Landschaftsphotographien romantisiert unter die jungen Leute. Es schleicht ein populistischer Wolf im Schafspelz durch das soziale Netzwerk. Zwar treten einige Accounts als offen populistisch in Erscheinung, wie die der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD, doch andere verschleiern ihre nicht minder populistischen Botschaften hinter altertümlichen Photographien, banalen Alltagsgegenständen oder Zitattafeln. So werfen sich populistische Wölfe einen Schafspelz aus Bildern, Emojis und Hashtags über.

Foto von Wokandapix / Pixabay.com

Populistische bis rechtsextreme Hauptakteur*innen

Doch wer genau steckt unter dem Pelz? Eine Recherche von Correctiv, ein von Spenden finanziertes Journalismus-Projekt, hat in Kleinstarbeit zahlreiche Accounts aufgedröselt und Verbindungen offengelegt. Herausgekommen ist die vierteilige Recherchereihe „Kein Filter für Rechts“. Die Hauptakteur*innen hinter den Accounts sind allen voran die Identitäre Bewegung, die Junge Alternative, die AfD sowie eine rechte Subkultur aus Mode- und Musiklabels. Die Accounts der AfD und ihren womöglich noch radikaleren Jungtieren tragen ihre populistische Gesinnung im virtuellen Raum eben so offen zur Schau, wie Gauland seine Dackelkrawatte im deutschen Bundestag. Subtiler und damit vielleicht sogar gefährlicher sind die Accounts zahlreicher Influencer*innen, die ihre extreme Gesinnung hinter wallendem blonden Haar verbergen. Oft sind es Frauen, die ihren Kopf für die Anwerbung neuer Mitglieder herhalten. Sie fungieren als Bindeglied zwischen gemäßigten Heimatverliebten und offen populistischen Nutzer*innen.

Doch diese Strategie beschränkt sich keineswegs auf Instagram. Auch Facebook eignet sich als Plattform, um populistische Gruppen zu gründen, wie zum Beispiel die rechtsextreme Angry Mothers Gruppierung aus Tschechien, die den Aufsatz „Where have all the normal men and women gone?“ (2020) von Eva Svatonova, einer tschechischen Kulturwissenschaftlerin, analysiert. Auch YouTube ist allein durch seine Funktionsweise und Algorithmen, die extreme Botschaften hochkatapultieren, Nährboden für populistische Botschaften im virtuellen Kleingarten. Und wenn die Inhalte zu krass oder Accounts gesperrt werden, wie es Martin Sellner, Sprecher der Identitären Bewegung Österreich, erging, kann man immer noch auf alternative Plattformen umziehen. YouTube funktioniert nicht mehr? Ab zu BitChute! Das Videoportal wird vornehmlich von Videoproduzent*innen genutzt, deren Kanäle von YouTube gelöscht worden sind – so sehen die Inhalte auch aus.. Der Account bei Facebook wurde gesperrt, dann rüber zu V-Kontakte, dem größten Sozialen Netzwerk Russlands. Doch nicht nur die USA und Russland bieten unterschiedliche Spielplätze für populistisches Online-Vergnügen, es gibt auch deutsche Alternativplattformen. Die Amadeo-Antonio-Stiftung schätzt in ihrem Monitoring-Bericht zu aktuellen rechts-alternativen Medienstrategien FreiHoch, Profortis Deutschland und 19vierundachtzig.com als die drei zukunftsträchtigsten Projekte ein. FreiHoch ist eine von dem rechts-alternativen YouTuber Hagen Grell gegründete Videoplattform. Auch Profortis, ein alternatives Medienportal und das Online-Magazin 19vierundachtzig.com mit angeschlossenem Forum und Netzwerk sind von rechten YouTuber*innen gegründet worden. Auf diesen Plattformen sehnt man sich beinahe schon nach den Bildern von deutschen Bierkrügen, so menschenverachtend sind deren Inhalte. Auf ihnen gehen nicht nur rechtsextremer Populismus und offener Rassismus Hand in Hand, sondern auch Antifeminismus gepaart mit Antisemitismus zeigen Abgründe im Netz auf. Nicht vergessen: Wir bewegen uns hier noch immer in offen zugänglichen Online-Räumen. Was das Darknet darüber hinaus noch zu bieten hat? Ich möchte es nicht wissen.

Während diese Plattformen und Seiten zum Glück noch nicht in aller Munde sind und man selten per Zufall beim Surfen darauf stößt, ist Instagram auf den meisten Smartphones junger Leute installiert. Und genau darin besteht die Gefahr, die von diesen Accounts ausgeht: Das Potenzial neue Parteimitglieder oder Verfechter*innen kruder, verschwörerischer Weltanschauungen anzuwerben. Nur wenn diese Taktiken offengelegt werden und den populistischen Wölfen damit der Schafspelz abgezogen wird, ist das ein erster Schritt weg von #heimatverliebt und hin zu: eine #offenegesellschaft.

*Artikelbild von Free-Photos / Pixabay.com


Über die Autorin:
Nicole Kauer

…hat stets zwei Bücher dabei: Eins zum Lesen und eins zum Schreiben. Ansonsten mag sie Schaumseife und Milchschaum, schlechte Wortwitze und Poesie.

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