Von Jara Zimmermann
Die Reaktionen auf die diverse Besetzung in Filmen und Serien wie „Arielle, die Meerjungfrau“ und „Herr der Ringe: Ringe der Macht“ ziehen die Aufmerksamkeit auf sich: Auf der einen Seite teils große Begeisterung, auf der anderen Unverständnis. Wie ist das zu begründen?
Fassungslosigkeit, Begeisterung und Glücksgefühle. Das waren die emotionalen Reaktionen vieler Schwarzer Mädchen auf den Trailer der Neuverfilmung von „Arielle, die junge Meerjungfrau“. TikToks, in denen junge PoC gar nicht glauben können, dass die neue Arielle nun Schwarz ist und ihnen ähnlich sieht, gingen viral. „Sie sieht aus wie ich“, rufen sie erstaunt. Immer mehr Filme und Serien setzen nun auf einen diversen Cast. Während das für die Einen von enormer Bedeutung sein kann, stößt die vermehrte Repräsentation von Schwarzen Menschen im Internet auch auf viele negative Reaktionen – vor allem von Weißen Menschen. So auch die neue Serie „Herr der Ringe: Ringe der Macht“ auf Amazon Prime. In der Serie gibt es erstmals Schwarze Hobbits und Elben, was viele Fans des Tolkien-Universums kritisierten. Für den Schauspieler Ismael Cruz Córdova, der selbst PoC ist und den Elb Arondir verkörpert, ist Repräsentanz sehr bedeutsam. Auf Instagram schrieb er: „This Elven dream of mine seemed like an impossibility, as I was laughed at and told »You can’t be an Elf. There are no Black Elves. There are no Latino Elves.«.” Er erklärte, dass sein Traum, einen Elb zu spielen, für ihn lange unmöglich schien, weil er das Gefühl hatte, dass PoC damit leben müssten, still und unsichtbar zu sein.
Wie wichtig ist also Repräsentation für PoC und wie sind die negativen Reaktionen zu begründen? Myriam Alvarez, Mitarbeiterin des Amts für Migration und Integration der Stadt Freiburg, hat im Rahmen eines Projektes der Katholischen Hochschule Freiburg selbst dabei geholfen, viele Stimmen von PoC sichtbar zu machen. „Die Darstellung einer Gesellschaft im Film ist sehr wichtig für die Konstruktion ihres sozialen Narratives“, so Alvarez. Personengruppen können durch ihre Rollen Eigenschaften zugeschrieben werden, die sich in den Köpfen der Menschen verfestigen und zu Vorurteilen führen. Laut Alvarez sei es notwendig, dass PoC repräsentiert werden, um in den Medien die aktuelle Realität darzustellen. Wichtig sei es aber, diese auch wahrheitsgemäß zu repräsentieren und sich der Verantwortung der Darstellung bewusst zu sein. Die Erzählweise über PoC sei gegenwärtig noch von bestehenden Stereotypen geprägt. Alvarez schreibt der aktuellen Debatte um die Repräsentation in den Medien eine große Bedeutung zu. „Die Öffentlichkeit braucht diese Diskussion, um Veränderungen in Bezug auf Diskriminierungen oder diskriminierende Ansichten durchsetzen zu können.“
Doch wie sehen es junge PoC selbst?
Clara Bievélot, Erasmusstudentin aus Frankreich, ist ebenfalls erfreut über die steigende Diversität in den Medien. „Die heutige Generation wird durch die erhöhte Repräsentanz mehr bestärkt.“ Bievélot konnte in ihrer Kindheit zwar eigene Vorbilder in der Familie finden, unterstreicht jedoch die potentielle Bedeutung der Repräsentation. „Es ist inspirierend, Schwarze Menschen mit Erfolg zu sehen“, so Bievélot. Die Studentin nennt dabei Beispiele, wie den Schauspieler Omar Sy aus dem Film „Ziemlich beste Freunde“ oder den ehemaligen Tennisspieler Yannick Noah. Für die Zukunft wünscht sie sich noch mehr Schwarze Mädchen auf der Leinwand zu sehen. Wichtig sei ihr dabei, dass keine Stereotype widergespiegelt, sondern Wirklichkeiten wiedergegeben werden.
Bassit Agbéré, Student der Informatik und VWL in Heidelberg und Mannheim, betont: „Repräsentation in den Medien kann identitätsstiftend sein und eine positive Wirkung haben, da das Menschenbild diverser wird und PoC mehr Jobs als Schauspieler bekommen.“ Mangelnde Repräsentation könne auch mit mangelnden Identifikationsmöglichkeiten einhergehen, da es Kindern und Jugendlichen an Vorbildern fehle. Persönlich sei er davon aber nicht betroffen gewesen.
Abseits der positiven Effekte sieht Agbéré auch eine Gefahr: „Die vermehrte Repräsentation kann spaltend zwischen der progressiven und der konservativen Seite in der Gesellschaft wirken.” Zudem würden Kulturen oftmals homogenisiert und Rassenstereotype bedient werden. „Repräsentation ist grundsätzlich wichtig und positiv, aber ich möchte keine Repräsentation nur um der Repräsentation Willen“, sagt der Student. Bezüglich der Kritik zeigt Bassit Agbéré deshalb Verständnis: „In den Büchern Tolkiens werden Elben als hellhäutig beschrieben und Charaktere, wie die Elben werden umgefärbt“. Generell sei die Kritik seiner Meinung nach aber auch mit einer gewissen Übersensibilität zu begründen.
Myriam Alvarez versteht die negativen Reaktionen folgendermaßen: „Die aktuellen Veränderungen in den Medien stellen einen großen Schritt für die Erweiterung der Demokratie dar“. Eben diese Demokratie sei noch sehr auf den Weißen Mann beschränkt, dessen vermittelte Mentalität auch eine Ursache für negative Reaktionen sein könne.
Dr. Nausikaa Schirilla, Professorin für Soziale Arbeit, Migration und Interkulturelle Kompetenz an der Katholischen Hochschule Freiburg, erklärt: „Weiße Menschen geraten in Identitätskonflikte, da ihre Identität auf Ausgrenzung und Abwertung von Anderen beruht.“ Wenn die eigenen, bestehenden Bilder und Vorstellungen im Film erschüttert würden, würden Weiße Menschen ihre Sicherheiten und scheinbar gefestigte Identität verlieren. „Viele Weiße Menschen sehen die Entwicklungen zu mehr Repräsentanz in den Medien im Kontext von Moral und Schuld“, vermutet Schirilla. Als Konsequenz meinen Weiße, sie müssten Schuldgefühle haben oder seien der Unmoral bezichtigt. Doch viele sähen sich nicht selbst als Täter, sondern als Personen, die unschuldig als schuldig eingestuft werden und als Privilegierte, die nun Privilegien aufgeben müssten. Es sei wie eine moralische Verurteilung, wogegen man Ressentiments entwickele. Die derzeitige positive Repräsentanz sei eine Gegenbewegung zu der verzerrten und abwertenden Darstellung von Schwarzen Menschen im Film und zielführend, um Vorstellungen von PoC zu ändern. Schirilla betont aber auch: „Wir müssen uns im Klaren sein, dass eine verstärkte Repräsentanz keine wirkliche gesellschaftliche Veränderung bedeutet und Rassismus dadurch nicht verschwindet.“ Die Darstellung im Film stelle einen kleinen Baustein einer rassismuskritischen Veränderung dar.
In einer Gesellschaft, in der struktureller Rassismus durch internalisierte diskriminierende Verhaltensmuster fest verankert ist, kann Repräsentation in den Medien Rassismus nicht einfach auflösen. Doch erhöhte Repräsentanz kann dazu beitragen, dass Stereotypen entgegen gewirkt und dass das Bewusstsein der Menschen durch ein diverseres Menschenbild erweitert wird. Wodurch wiederum auch Kinder bestärkt werden können.
Trotzdem muss darauf geachtet werden, dass die Darstellung anderer Kulturen nicht auf Stereotypen, sondern auf Wirklichkeiten beruht. Anhand der negativen Reaktionen Weißer Menschen kann man vielleicht erkennen, wie fragil das Weiße Selbstverständnis ist, wenn bereits vermehrte Repräsentation das aufgebaute Weltbild erschüttern kann.
Über die Autorin:

Jara ist 19 Jahre alt und studiert Englisch und Politikwissenschaft in Freiburg. Sie interessiert sich für Themen wie europäische Zusammenarbeit, Sprachen und Literatur. Eventuell wird sie später Lehrerin. Ein großer Traum ist aber, mal für eine Zeit in Großbritannien oder Frankreich zu leben. Vielleicht auch als Journalistin?