Rassistische Reisebeschränkungen

Grenzenloses Reisen mag für viele selbstverständlich sein, für andere ist es das nicht. Behrokh schreibt über ihre eingeschränkten Reisemöglichkeiten als Iranerin und ihre wiederholten Erfahrungen mit Rassismus. Viele Türen bleiben für sie dadurch verschlossen.

Meine Nationalität hat schon immer eine entscheidende Rolle in meinem Leben gespielt. Es war häufig wie ein Hindernis, gerade weil es in vielen Teilen der Welt immer noch eine diskriminierende Haltung gegenüber Menschen aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit gibt.

Antrag abgelehnt

Genau mit dieser Haltung bin ich konfrontiert, wenn ich aufgrund meiner Nationalität beurteilt werde. Besonders bei der Beantragung eines Visums, um in bestimmte Länder einreisen zu können.

Als ich plante meinen Master in Deutschland zu absolvieren, habe ich im Iran ein Visum für die Einreise beantragt. Es hat eineinhalb Jahre gedauert, bis ich einen Termin für das Vorstellungsgespräch bei der Deutschen Botschaft in Tehran erhielt. Zu meinem Glück handelte es sich bei meinem Master um einen zweisprachigen, deutsch-französischen Studiengang.  Aus diesem Grund war es mir möglich, ein französisches Visum für Studierende in wesentlich kürzerer Zeit zu erhalten. Andere Studierende im Iran haben ähnliche Erfahrungen gemacht: Die Wartezeit für ein Visum für die Einreise in die USA, nach Kanada oder in andere Länder war für uns wesentlich länger als für Studierende anderer Nationalitäten.

Eine der ärgerlichsten Erfahrungen mit Rassismus habe ich gemacht, als meine Nichte im Juli 2020 geboren wurde. Als ich von ihrer Geburt erfahren habe, war ich voller Vorfreude und plante meine Reise nach London, um sie zu besuchen. Ich beantragte ein Visum in Deutschland für die Einreise nach Großbritannien, aber eine Woche nach meinem Termin bei der Botschaft wurde mein Antrag abgelehnt. In dem Ablehnungsbescheid wurde mir mitgeteilt, dass man nicht überzeugt sei, dass ich anschließend wieder nach Deutschland zurückkehren würde.

Auf den ersten Blick mag das vielleicht normal erscheinen. Das ist es aber nicht, denn ich bin finanziell abgesichert und konnte ebenfalls meinen Arbeitsvertrag als universitäre Hilfskraft vorlegen. Es wurde noch seltsamer, als die zuständige Person mir das Auslaufdatum meiner Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland und das meines Passes mitteilte. Beide Daten lagen mindestens drei Monate über dem Datum, dass ich für meine Rückkehr aus Großbritannien angegeben hatte. Immer wenn sehe, wie einfach meine europäischen Freunde nach Großbritannien oder in die USA einreisen können, habe ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmt.

Bevor sich dieser Vorfall ereignete, sollte eine iranische Freundin, die in England studierte, mit ihren Mitstudierenden und dem/der Dozierenden für ein Studienprojekt nach Mazedonien reisen. Sie war die einzige in der Gruppe, die kein Visum für die Reise erhielt,  und das exakt aus demselben Grund wie ich. Die zuständige Person erklärte ihr:  „Wir sind nicht sicher, ob Sie nach England zurückkehren werden“. In dieser Zeit kamen einige Geflüchtete nach Serbien und ich vermute, dass sie Angst hatten, es würden ebenfalls neue Geflüchtete nach Mazedonien kommen. Unter bestimmten Umständen kann jede*r potenzielle*r Geflüchtete*r sein. Aber warum wurde meine Freundin  von allen  internationalen Studierenden am meisten verdächtigt, eine Geflüchtete zu sein?

Trotz allem geht es hier nicht nur um Iraner*innen. Die Türen sind nicht nur Iraner*innen verschlossen. Ich kann mir vorstellen, dass beispielsweise auch europäische Tourist*innen Probleme hätten, in den Iran zu reisen, wenn sie zuvor in Israel gewesen waren.

Als ich kürzlich nach internationalen Stipendien für Wissenschaftlerinnen schaute, stieß ich auf einen Satz, der mehrmals wiederholt wurde. Er war lächerlich, herzzerreißend und beleidigend. Dort hieß es:  „Bewerberinnen aus allen Ländern sind willkommen, außer Iranerinnen.“ Ich weiß nicht, ob die Erniedrigung hinter jedem einzelnen Wort dieses Satzes nachzuvollziehen ist. Bei sportlichen Wettkämpfen werden ethnische Zugehörigkeit, Religion und politische Fragen außer Acht gelassen – warum kann es nicht auch bei Grenzkontrollen zwischen Ländern der Fall sein?

Ich glaube, dass die Weltbevölkerung Rassismus-Probleme nicht richtig angeht. Dies zeigt sich ebenfalls anhand der unzähligen Fälle von Rassismus, die täglich in der Welt passieren.

Wir können in verschiedenen Ländern geboren sein und trotzdem unsere Türen öffnen

Ich könnte noch von einigen solcher Erfahrungen berichten Eine letzte Erinnerung möchte ich aber noch teilen. Eine Freundin und ich sind zu einer Organisation in Freiburg in Deutschland gegangen, welche ich hier nicht namentlich nennen werde. Meine Freundin wollte dort versuchen, für sich und ihre Familie, das heißt für drei weitere Personen, eine Wohnung in einem Wohnheim zu mieten. Als sie die dafür zuständige Person zu überzeugen versuchte, sie und ihre Familie könnten in einer kleinen Wohnung leben, grinste diese und sagte: „Hier ist es nicht so wie in Ihrem Land. Hier sollte jede*r seinen eigenen Raum haben“. Ich glaube, dass diese Person keine Vorstellung davon hatte, wie Häuser im Iran aussehen.

Nicht die Menschen, sondern ihre rassistischen Denkweisen sollten verboten werden.

Meiner Erfahrung nach kann man nach einer ersten Begegnung mit einer Person vielleicht nicht sonderlich an ihr interessiert sein, wenn man sie aber besser kennenlernt, ändert sich das, und man entwickelt Interesse und Zuneigung für diese Person. Das ist die Magie von gegenseitigem Austausch und Anerkennung. Wenn wir bessere Möglichkeiten hätten, Grenzen zu überschreiten und in Kontakt mit anderen zu treten, dann müssten wir nicht in so einer großen Distanz voneinander leben. Wenn  wir einander nur die Türen zu unseren Ländern öffnen könnten, dann würden wir auch unsere Herzen für neue Menschen öffnen. Auch wenn es nur eine Einschränkung von vielen ist – ihre Abschaffung könnte uns einander näher bringen.

*Artikelbild von Lalesh-Aldarwish / pexels.com


Über die Autorin:
Behrokh Shams

…kommt aus dem Iran und ist Studentin in Deutschland. Sie möchte auf Erfahrungen mit Rassismus in verschiedenen Kontexten im Alltag aufmerksam machen.

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